22) Mit-Menschen und
sich selber besser verstehen
- Rettet den Täter -
Mit Verständis entsteht Liebe - Sogyal Rimpoche
Selbstbeherrschung erfordert Erfahrung.
Selbsterkenntnis erfordert Einsicht.
- Altchinesische Weisheit
Im Leben begegnen uns viele Menschen - wie auch Gegebenheiten, die uns nicht gefallen.
Oft ist es legitim, sie zu umgehen. Ist unsere Re-Aktion emotional stark, oder wiederholt sich ein Muster, lohnt es sich, bei sich zu schauen, was uns eine solche Situation spiegelt.
Sehen - verstehen - befreien
Wenn der Geist sich selbst im Spiegel der Beziehung sieht, entsteht aus dieser Wahrnehmung Selbsterkenntnis. - Jiddu Krishnamurti
Manchmal sind es Personen aus der Vergangenheit, mit denen unsere Seele sich versöhnen möchte. Oft sind es unbewusste Glaubenssätze, die überholt sind und unsere Lebendigkeit behindern. Manchmal sollen wir auch unser Potential wach küssen und latente Fähigkeiten entwickeln.
In meiner Welt lassen sich solche innere Magneten, welche Unerwünschtes in unserem Leben manifestieren, als Schwingungen sehen, die durch Resonanz andere Schwingungen von außen anziehen.
Alles, was unsere Lebendigkeit einschränkt, entspricht nicht unserem Wesen; es sind Störungen und Verunklärungen unserer Wahrheit. Meiner Erfahrung nach ist es sehr hilfreich, solche Unwahrheiten in uns zu finden.
Durch achtsame Beobachtung unseres Lebens können wir anfangen, blinde Flecken in uns zu sehen. Wirklich Verstehen können wir allerdings nur mit dem Herzen, sofern unser Herzen sich dafür öffnen will und kann - denn Schmerz zu fühlen tut weh.
„Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.“
- Faust I, Johann Wolfgang von Goethe
Was hier Goethe über den Dichter schreibt, gilt für jeden von uns, wenn es um Verstehen geht: Wer er nicht fühlt, wird es nicht verstehen. Wir können nur so viel verstehen, wie unser Herz geheilt und offen ist. Um zu verstehen, müssen wir unser Herz befreihen.
Selbsterkenntnis ist Selbsterfahrung
Wenn ich solche Störungen aushalte, anstelle weg zu laufen oder zu re-agieren, kann ich vielleicht ihre Quelle in mir aufspüren: Es mag ein Bild, eine Erinnerung, ein Gefühl oder eine Taubheit irgedwo im Köper sein. Wenn wir uns achtsam solchen inneren Bildern zuwenden, wenn wir sie aushalten, ohne zu bewerten, können sie sich verwandeln.
Um bewertungsfrei zu bleiben, stelle ich mir dabei vor, dass ich legidlich die Schwingung solcher Bilder in mir fühle. Das allein mag es verändern, denn nur das Unbewusste kann uns kontrollieren; was wir sehen, wird von alleine von uns abfallen, wenn es unwahr ist. Man kann diesen Prozess auch mit Hilfe von kraftvollen Worten und Bildern unterstützen: Die in uns lauernde Wahrheit wird damit angesprochen und "wach geküsst".
In einer Session unterstütze ich Klienten, solche Schwingungen zu fühlen, indem ich Bilder verwende, die ich in meinem Inneren sehe. Solche Bilder können als Szenen aus der Kindheit oder aus anderen Leben interpretiert werden, sind es aber nicht notwendigerweise, auch wenn sie oft reale Erlebnisse aus der Vergangenheit beschreiben; es sind nur in Worten und Bildern vergegenständlichte Schwingungen, die zu der Situation passen, es sind Geschichten, Träume, oder eher Albträume.
Um solche Schwingungen zu ändern, verwende ich Worte und Bilder, die die eigene Kraft mobilisieren: In uns existiert eine natürliche Bewegung, die Heilung, Liebe und Vergebung will. Wir blockieren unsere Lebensenergie, wenn wir uns dem widersetzen und dagegen kämpfen.
Wie sieht es bei Ihnen aus? Wie lebendig ist Ihr Leben? Sie sind der Drehbuchautor Ihres Lebens, - wie soll es enden?
Rettet den Täter
Die Qualität des Mitgefühls ist Verständnis - Sogyal Rimpoche
Um unser Leben, uns selber und andere besser zu verstehen, müssen wir in der Regel den Täter in uns finden. Wir haben alle viele innere Täter, die wir eigentlich nicht sehen wollen, und deswegen ausblenden. Das ist jedoch der falsche Weg, denn wir schneiden uns damit von einem Teil unserer Lebendigkeit ab. Hilfreicher ist es, den Täter in uns wie auch in anderen zu sehen, zu verstehen und aus dem inneren Gefängnis, in dem wir ihn eingesperrt haben, zu befreien. So bringen wir seine Energie zurück in unser Leben.
Nur so kommen wir zur Barmherzigkeit, von der Jesus sprach, eine Barmherzigkeit die sowohl Arme und Leidende, aber auch Andersdenkende in gleicher Augenhöhee umfasst. Eine solche innere Haltung lässt sich nicht willentlich herbeiführen, sie stellt sich von allei ein, wenn wir auf dem Weg der innerer Heilung voranschreiten.
Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. - Mt 5,7
Opfer - Retter - Täter
In der Regel gibt es drei Akteure: Opfer – Retter – Täter.
Psychologisch gesehen greift ein Retter in die Opfer-Täter-Beziehung ein und verhindert eine konstruktive Lösung des Konflikts. Ein Retter handelt automatisch oder gar zwanghaft aus einer inneren Not heraus und wird der aktuellen Situation, der er beiwohnt, nicht gerecht: Er nimmt dem Opfer die Chance, seine Stärke zu finden, und nimmt dem Täter die Chance, seine Verletzlichkeit zu sehen. Ein Retter nimmt Partei für das Opfer und klagt den Täter an. Wenn wir genau hinschauen, können wir jedoch oft sehen, dass Opfer auch Täter sind und dass jeder Täter einmal auch ein Opfer war und in seinem Inneren noch ist.
Die Welt ist immer vielfältig und bunt: aus dem Dreieck kann sich z. B. ein Viereck ergeben:
Täter – Opfer – Retter des Opfers - Retter des Täters.
Nicht selten wird ein Täter derart stigmatisiert, dass ein Retter ihm an die Seite springt. Ich kann darin einen Vorteil erkennen: wenn sich zwei Retter in einer Dynamik finden, bringt dies erstens die Schieflage ein wenig ins Gleichgewicht; und zweitens können die Retter sich einigen und sich gegenseitig unterstützen, sich zusammen aus der Dynamik herauszunehmen und ihre jeweiligen Schützlinge zu ermutigen, sich der doppelten Opfer-Täter Dynamik zu stellen, denn:
Jeder Täter war und ist auch ein Opfer und jedes Opfer ist oder wird irgendwann auch ein Täter.
Mich hat einmal ein Vorgesetzter beeindruckt, wie er folgende Situation gemeistert hat: Zwei seiner Sekretärinnen waren in ständigem Konflikt: Die eine war wenig engagiert, lernte sich nicht ein und machte nur, was man ihr sagte - und davon dann auch noch einiges falsch. Die andere war extrem engagiert, Lieblingskind des Chefs und die Hauptsekretärin; durch das fehlende Engagement der ersten fühlte sie sich gestört. Sie begann ihrer neuen, beinahe gleichaltrigen Kollegin das Leben schwer zu machen, wo sie nur konnte.
Die Kollegin ging zum Chef, um sich über die Hauptsekretärin zu beschweren. Und das Problem löste sich auf.
Ich frage den Chef, was er gesagt/gemacht habe, und er antwortete: Ich habe ihr gesagt, dass sie sich mehr anstrengen muss, um sich einzuarbeiten, und dass ich ihr zutraue, das Problem zu lösen.
Genau das verhindern die Retter, genau das brauchen angebliche Opfer, die nach einem Retter Ausschau halten: dass sie auf sich selbst zurückgewiesen werden, dass sie ein altes Muster unterbrechen, in dem sie sich als hilflos erleben und anderen die Rolle des starken Retters anbieten.
Ein solches altes Muster hält die Opfer klein und schwach.
Oft haben wir uns ein solches Muster zugelegt, weil der Vater oder die Mutter schwach war und das Kind als Opfer anderer brauchte, um sich selbst in der Rolle des Retters stark zu fühlen. Manchmal hat der Vater oder die Mutter aber auch das Kind als den Retter gebraucht, der ihn/sie gegen den anderen Elternteil beschützen soll. Als Kinder stimmten wir in der Regel einer solchen uns zugewiesenen Rolle zu, weil wir uns darin wichtig und deswegen geliebt fühlten, aber auch, weil wir die Ohnmacht der Eltern nicht aushalten konnten.
Ein späterer Retter rettet immer noch einen der Eltern oder sich selbst.
Wehrlose Opfer aus unserer Kindheit leben weiterhin als innere Bilder in uns. Später retten wir in jedem Opfer immer noch Vater, Mutter, Schwester, Bruder oder auch uns selbst. Die Hilflosigkeit von damals wird immer wieder neu erlebt; als Retter von heute fahren wir fort, die Opfer von damals klein und hilflos zu machen. Das verfestigt die innere Wunde, die die erlebte Ohnmacht hinterlassen hat; es führt zu repetitiven Verhalten und verhindert innere Heilung.
In dieser Ecke des Herzens lassen wir niemand herein, auch Gott nicht.