Predigt
zum Abendmahlgottesdienst nach der Lima-Liturgie am 7 Oktober 2012 in der evanghelischen Andreaskirche in Bergisch Gladbach-Schildgen
anlässlich des 40-jährigen Bestehens der deutschen Region der Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft (IEF)
Gestern Abend haben wir uns kurz mit dem Text des Einheitsdekretes beschäftigt. Eine der Gesprächsgruppen hatte es mit der Nummer 22 dieses Dokumentes zu tun. Sie beginnt mit dem wunderbaren Satz:
Durch das Sakrament der Taufe wird der Mensch wahrhaft dem gekreuzigten und verherrlichten Christus einverleibt und zur Teilhabe am göttlichen Leben wiedergeboren.
Da möchte man mit Paulus fragen:
Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben; - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer kann anklagen, die Gott erwählt hat? Gott ist es, der gerecht macht. Wer kan sie verurteilen?"
Es gibt ohne Zweifel Gründe, Menschen vom Empfang der Eucharistie auszuschliessen. Gründe, die wir alle mit volziehen würden. Nicht nur, wobekanntermaßen schweres Unrecth und Gewalt verübt wird. Es können auch Verhaltensweisen sein, die die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe in der Kirche schuldhaft spalten. Aber einer der freundlichsten Sätze des Einheitsdekretes ist die Aussage, dass heutigen Christen die Sünde der Häresie und des Schismas aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer der getrennten Kirchen persönlich nicht angerechnet werden kann.
Wenn sie sich aber subjektiv nicht in Häresie und Schisma befinden, dann heißt das doch, dass sie sich persönlich in der vollen Einheit und Wahrheit der Kriche befinden, - nicht anders als ein rechtschaffener katholischer Christ. Welchen Grund gäbe es, sie aus der Gemeinschaft des Heiligen Mahles auszuschließen? Es ist durchaus Aufgabe des kirchlichen Leitungsamtes, Menschen aus entsprechendem Grund vom Empfang der Eucharistie auszuschließen. Und selbstverständlich kann es auch allgemeine Regeln dazu erlassen.
Doch haben Menschen, die sich persönlich in der vollen Einheit und Wahrheit der Kriche wissen dürfen, keinen Grund, solche Regeln auf sich persönlich zu beziehen. Und kein Seelsorger dürfte solche Regeln auf sie anwenden. Soviel zur Frage der Zulassung nicht katholischer Christen zur Eucharistie in der katholischen Kirche.
Und in umgekehrter Richtung - was ist von dem DEFECTUS ORDINIS zu halten, von dem das Einheitsdekret spricht, dem "FEHLEN" des geweihten Amtes in den reformatorischen Kirchen, wie die einen übersetzen, oder, richtiger, dem "Mangel", der ihrem ordinierten Amt anhaftet? Wir haben gehört, dass es in dem kurzen Nebensatz, der diese Worte enthält, nicht um eine abschließendes, bewertendes Urteil des Konzils zu dieser vielschichtigen Frage geht, sondern um die Anmerkung eines Vorbehaltes, den es zu klären gilt, - der aber inzwischen in der gründlichen Aufarbeitung der Theologen längst geklärt ist.
Aber schon für das Konzil selbst gilt: wenn es anerkennt, dass es der Heilige Geist ist, der in der Feier des Abendmahls einer evangelischen Gemeinde die Gläubigen zum Heil führt, dann muss auch gelten, dass Jesus Christus selbst in diesem Mahl real gegenwärtig wird, - wie wir Katholiken sagen: mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Wohlgemerkt: gegenwärtig nicht in einem raum-zeitlichen Sinn, sozusagen datierbar und lokal, sondern - wie es auch das Konzil von Trient versteht - im Sinne seiner Gegenwart im Heiligen Geist.
Da handelt es sich also in dieser Gemeinde nicht um ein frommes pietistisches Konventikel. Da verbindet Christus die Teilnehmenden durch den Kelch, den sie segnen, und das Brot, das sie brechen, zur Gemeinschaft seines Leibes und Blutes, zur Gemeinschaft der Heiligen, der Communio Sanctorum. Wie könnte ein katholischer Christ sich der von Christus selbst ausgehenden Einladung zur Teilnahme an diesem Mahl verschließen, wo er sich doch durch Taufe und Glaube dazu berufen und ermächtigt weiß?
Das Ärgernis, dass gläubige und miteinander versöhnte Christen sich durch kirchliche Barrieren beim Mahl des Herrn voneinander getrennt sehen, hat nur da Bestand, wo sie sich der Freiheit, der Berufung und Vollmacht, die ihnen in der Taufe gegeben worden sind, nicht beusst werden. Wo sie sich ihrer Taufe bewusst werden, erkennen sie auch ihre Verantwortung, sich abzugrenzen gegen eine Ausübung des kirchlichen Leitungsamtes, die seinem eigentlichen Auftrag selbst diametral zuwiderläuft.
Denn es kann ja nicht Sinn und Aufgabe des Amtes sein, die Einheit des Leibes Christi und ihre Feier im Mahl des Herrn zu verhindern; es hat sie um Gegenteil zu gewährleisten und zu fördern. Wo das Leitungsamt für das Gewissen betroffener Christen diesem Auftrag widerspricht, reicht es nich, ihm den Missbrauch seiner Vollmacht klagend und anklagend vorzuhalten; viel wichtiger ist es, in Freiheit zu tun, wozu die Taufe ermächtigt und wozu auch das Leitugnsamt die Gläubigen eigentlch autorisieren und ermutigen sollte.
Fragt man - nach 40 Jahren IEF auf deutschem Boden - , wozu diese ökumenischen Gruppierung taugt, dann ist eine der wichtigsten Antworten vielleicht diese: Sie erweckt in ihren Mitgliedern, gleich welcher Kirche sie angehhören, auf die Dauer ein lebendiges und tiefes Bewusstsein von ihrer Einheit in Christus, die ihnen, trotz noch bestehender Trennungen ihrer Kirchen, aufgrund der Taufe und des Glaubens gegeben ist. Sie erweckt und stärkt in ihnen das Bewusstsein, zur Teilnahme am Mahl des Herrn legitimiert zu sein, wo immer es im Heiligen Geist und im Glauben an seine reale Gegenwart gefeiert wird. Es gibt ihnen die Kraft, diese Freiheit nicht nur in ihren Zusammenkünften, sondern auch da zu bezeugen, wo sie leben - und wo diese Freiheit den Gläubigen vielleicht noch nicht zu Bewusstsein gekommen ist, wo sie vielmehr immer noch leiden unter der Gewissensbindung an verfehlte oder fehltinterpretierte kirchilche Regelungen.
Über Jahre und Jahrzehnte der IEF anzugehören, hat also Folgen.
Es bereichert die Teilnehmer an den wunderbaren Konferenzen gewiss mit schönen Erinnerungen. Es versetzt sie aber - ob sie es wollen oder nicht - mit der Zeit immer mehr in den Zeugenstand. Und da muss man sich klar sein, dass dies eine tiefgreifende und vielschichtige Herausforderung darstellt. Das Licht, das mir geschenkt worden ist, soll allen im Hause leuchten; es kann nicht darum gehen, es unter den Scheffel zu stellen. Andererseits muss - nach den eindringlichen Weisungen der Paulus - eine Freiheit und Stärke, die mir im Glauben zugewachsen ist, mit behutsamer Rücksicht auf die Schwäche und Unfreiheit anderer zur Geltung gebracht werden. Ein eiferndes, rücksichtsloses und liebloses Zeugnis kann viel zerstören und dem Anliegen, dem es gilt, mehr schaden als nützen.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus dem berechtigten Anliegen, dass in allen römisch-katholischen Erklärungen zur Eucharistiefeier nachdrücklich vertreten wird: Zwischen Abendmahlsgemeinschaft und kirchlicher Einheit besteht ein unterennbarer Zusammenahang. Ich kann die Einheit in Christus nicht im Rahmen einer schönen Konferenz im gemeinsamen Abendmahl feiern und sie dann für den Rest meines Lebens aus dem Blick verlieren. Deutlicher, als die römischen Dokumente es sagen, muss dies jedoch heißen:
Jede Feier der Eucharistie verpflichtet mich auf die Einheit - nicht bloß der jeweils eigenen, sondern auf die der ganzen Kirche, der einen Gemeinschaft aller Getauften. Christen verschiedener Kirchen, die gemeinsam das Mahl des Herrn feiern, verpflichten sich damit, ein Leben lang, immer und überrall - soviel in ihren Kräften liegt - dem ökumenischen Anliegen, der Auferbauung des einen Leibes Christi, zu dienen, was immer das konkret für sie heißen mag.
Und ein drittes, das allzu leicht aus dem Blick gerät. Im Buch Jesaja sagt Jahweh dem von ihm erwählten Knecht:
Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die verschonten Israels wieder heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.
Die Gemeinschaft des Leibes und des Blutes Christi, die Knechten Gottes, nimmt uns mit hinein in seine Hingabe für das Leben der Welt.
Dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.
Ökumene, das ist ja in evangelischem Verständnis nie nur die Gemeinschaft der Getauften; es geht ihr um den Frieden, den Christus gestiftet hat durch sein Blut für das Ganze der Schöpfung. Nur wo wir in diesem umfassenden Sinne zu Dienern des Friedesn werden, werden wir auch zu Trägern einer versöhnenden Kraft in der so vielfältig geteilten und dennoch in Christus immer schon geeinten Gemeinschaft aller Getauften.