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1938 - 2017
Konfessionsfreier Seelsorger, ehemaliger Benediktinermönch (1959-2015) und Priester
Das Suchen nach Bestimmung und Wahrheit meines Lebens hat mich im Alter von 77 Jahren aus dem Kloster und der Institution der römisch-katholischen Kirche herausgeführt.
Ich bin überzeugt, dass die Botschaft Jesu auch heute an allen Menschen Wunder wirkt und sie aus jeder Form der Selbstentfremdung zum wahren Leben ruft.
Im Sinn dieser Botschaft möchte ich denen, die eigenständig und ohne kirchliche Bindung auf der Suche sind oder an belastenden religiösen Bindungen leiden, ermutigend zu Seite stehen.
Siehe auch Sterben im Licht und Vita,
sowie Predigten im Lesejahr A, Mt 14,22
Ein mutiger Visionär, konfessionsfreier Seelsorger, ehemaliger Benediktinermönch (1959-2015) und Priester ist am 10 Januar 2017 sanft, beinahe lächelnd von uns weg gegangen. Die Anwesenden stimmten spontan Christus ist erstanden ein.
Rudolf Lütticken wurde am 20. April 1938 als zweites von sieben Kindern in Kleve geboren. Seine ersten Lebensjahre waren von Krieg, abwesendem Vater, Angst verleugnender Mutter und Bomben geprägt - eine lebensverneinende Welt, die ihn lebenslang markiert hat. Nach dem Krieg konvertierten Mutter und Kinder zum katholischen Glauben.
Als Kind wollte er Maler werden. Zeichnen war fraglos seine Begabung, gefolgt von Musik, die seine Leidenschaft wurde. Mit 16 hatte er erstmal die Idee, Priester zu werden. Nach einjährigem studium generale am Leibniz-Kolleg d.U. Tübingen begann er am Collegium Canisianum in Innsbruck das Theologiestudium. Mit 20 Jahren trat er in die benediktinische Mönchsgemeinschaft der Abtei St. Matthias ein und setzte sein Studium in Trier fort.
Die Kriegswunden waren noch frisch in seinem Herzen, er fühlte sich nicht reif genug für Priesterweihe und Seelsorge, und wünschte sich zunächst einen Einsatz in einer praktischen Tätigkeit, z.B. der Krankenpflege. Aber um der Abtei zu dienen, wurde er geweiht und erwarb das Lizentiat der Theologie. Danach wurde er nach Oxford geschickt, um vier Semester zum Thema zu forschen Die anglikanisch/römisch-katholische Kontroverse über die Unfehlbarkeit des Papstes im 17. Jahrhundert in öffentlich nicht verfügbaren Literatur des 17. Jahrhunderts.
Anschliessend übernahm er ökumenische Aufgaben im Bereich des anglikanisch / römisch-katholischen Dialogs, zur Kontaktpflege mit evangelischen Kommunitäten im Westen und Osten Deutschlands (insbesondere beim Aufbau des ökumenischen Netzwerkes Christophorus) sowie als Ökumenereferent des Bistums Trier.
In der Kommunität prägte er insbesondere als Kantor sowie durch die Komposition deutscher Gesänge für die Liturgie das gemeinsame Leben mit; in der letzten Zeit war er Mitglied im Seniorat und Magister für die Begleitung und Ausbildung neuer Brüder.
In den siebziger Jahren engagierte er sich intensiv in den Aufgaben der Internationalen ökumenischen Gemeinschaft (IEF), deren Deutsche Region er von 1973 bis zu seiner Abberufung durch den Abt in 1977 leitete. Er hoffte darin die protestantische Konfession seiner Mutter und seiner Kindheit und die Konvertierung zum katholischen Glauben nach dem Kriegsende in die Einheit des Glaubens im Heiligen Geist zusammen zu bringen.
Dass es ihm dies nicht gelungen war, hinterliess eine tiefe Wunde. Das Scheitern des Aufbruchs nach dem 2. Vatikanischen Konzils, insbesondere in der Ökumene, hat ihn zutiefst geschmerzt und hoffnungslos gemacht.
Etwa drei Jahrzehnte wirkte er anschliessend als Seelsorger in der Pfarrei des Klosters sowie im Klinikum Mutterhaus in Trier - insbesondere auf der Palliativstation, wo er eine neue Heimat gefunden hatte.
Er suchte und fand im Sterben das Leben. Auch im eigenen Leben: Die Genesung nach einer 1998 operativ kurierten Krebserkrankung hat er nie in seinem Leben integriert: Es kam nicht zu einem neuen Leben, sondern zu einer Krise, aus der er sich nie erholt hat.
Seit 2012 war er mein geistlicher Begleiter; in monatlichen Gesprächen hatte er behutsam meine orthodoxen Wurzeln gepflegt und gestärkt. Unsere Gespräche haben bei ihm auch selbstreflektiv gewirkt. 2015 stellte er sich der Erkenntnis, dass sein Leben im Kloster ihn nicht geheilt hat, nicht heilen wird und ihn sogar hinderte, zu gesunden, und dass er seit Jahrzehnten in einer grossen Resignation und Verleugnung lebte und nur noch nach aussen funktionierte.
Diese Erkenntnis gab ihm Kraft, zu den Anfängen zurück zu kehren und das JA zum Leben erneut zu suchen. Diese Suche nach Bestimmung und Wahrheit hat ihn im Alter von 77 Jahren aus dem Kloster und der Institution der römisch-katholischen Kirche herausgeführt. Sein Schritt ins Leben führte ihn in die Welt hinein - ohne dass er je von der Welt geworden ist. Leider brachte er aus dem Kloster auch eine fortgeschrittene neue Krebserkrankung mit, die ihm nur noch etwa 18 Monate zum Leben ließ. Er fand in dieser Zeit das Ja zum Leben, Frieden mit sich selbst und mit seiner Geschichte.
Uns verband eine grosse Seelenverwandschaft, verzehrende Sehnsucht nach Gott und die Entschlossenheit, in einer spirituellen Ehe Jesus zu folgen und den Weg in gegenseitiger Achtung, Annahme und Unterstützung zu Ende zu gehen.
Priester ist er bis zum Schluss geblieben: "Ich bin überzeugt, dass die Botschaft Jesu auch heute an allen Menschen Wunder wirkt und sie aus jeder Form der Selbstentfremdung zum wahren Leben ruft. "
In seinen letzten Lebensmonaten hat er mehrere Aufsätze geschrieben, die seine Vision von der Einheit im Heiligen Geist, die die ganze Zeit in seinen Reden und Predigten schlummerte, auf einer neuen Ebene bringen. Er wollte die Botschaft Jesus verkünden, der Menschen zum Leben heilen und befreien wollte.
Seine Predigt-Bände, in denen er täglich las, haben ihn begleitet und vorbereitet auf das große Fest.
Ich werde nicht sterben, sondern leben.
Aber du wirst sterben.
Nein, ich werde leben, nur anders.
Weihnachten 2016: "Es ist die schönste Zeit meines Lebens".
Er ist von Krankheit stark gezeichnet. Keine Freunde mehr, keine Weggefährte, sogar keine Wohnung. Zu zweit in einem Gasthaus - in Reichweite des Trierer Hospiz. Seit fünf Wochen wechselte er zwischen Krankenhaus und Ferienwohnungen. Warten bis die Zeit für Hospiz unausweichlich wird. (Ein Hospiz, dessen Leitung seinen Namen nach seinem Tod für eigene Zwecke benutzt und damit seine postmortale Persönlichkeitsrechte verletz hat. Das tat die Abtei St. Matthias bereits zeit seines Lebens, somit scheint die Verletzung der Persönlichkeitsrechte in Trier keine Ausnahme zu sein, sondern eher salonfähig und gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Aus dieser Subkultur musste er sich befreien, was ihm ohne externe Hilfe nicht möglich gewesen ist.)
Viel Schreiben. "Sterben im Licht, ja Sterben im Glück! " Und dann: "Es gibt nichts, was die Leichtigkeit im Blick nach vorn beschweren, mich an den Wunsch binden würde, es mit mir anders sein und werden, als es ist."
Wir hatten ein Jahr lang um seine Genesung, um ein Wunder gebeten. Am 5. Januar - unser letzter Abend vor seinem Einzug im Hospiz - fragte ich ihn:
Bist du zufrieden mit deinem Leben? Gehst du in Frieden?
Er antwortete: Ja.
Dann schaute er mir in die Augen und sagte:
Und das ist das eigentliche Wunder!
Ligia Lütticken
Internationale Ökumenische Gemeinschaft (IEF)
Mein Austritt aus Kloster und Kirche
Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott - Rumi
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen - Mt 7,16
Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!, und tut nicht, was ich euch sage? - Lk 6,46
Er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen) Mk 14,36
Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. - Mt 7,7-8
Um leben zu können, muss ich sterben können;
Um sterben zu können, muss ich leben können.
Solange ich vor der Angst fliehe, finde ich nicht den Weg ins Vertrauen
Es gibt nur zwei modi des Seins: Angst oder Liebe
Die Liebe erweist sich dadurch als Liebe, dass sie die Angst erkennt und beim Namen nennt
Die Kraft, die Angst zu besiegen, haben wir nicht aus uns selbst; sie offenbart sich uns in Jesus. In seinem Weg und Sterben am Kreuz hat er die Angst besiegt.
Religiöse Überlieferung gründet auf Behauptung, authentische Spiritualität auf der Gabe der Unterscheidung.
An Jesus glauben heißt: alles Leben im Licht seiner Botschaft sehen.
Die Botschaft Jesu liegt nicht in der Bedeutung seiner Worte, sondern in ihrer Kraft.
Wer an Jesus glaubt, hält sich an ihm nicht fest: er weiß sich gehalten.
Die Gegenwart Gottes ist eine geistige Dynamik.